„Wir müssen aufhören, Nando. Wir müssen das hier abbrechen. Es hat keinen Sinn. Vielleicht liegen wir goldrichtig mit dem, was wir sagen, aber die Leute halten es für Blech. Niemand glaubt uns.“
Ich fühlte mich miserabel. Ich fühlte mich, als hätte man mir mein Inneres entfernt. Nando hockte vor seinem Schnittpult, auch er wirkte ratlos und erschöpft. Corona hatte unsere ganze Branche durcheinandergewirbelt. Das Erste, was die Marketingleute von ihrer Agenda strichen, waren Filme. Wer schaut sich Filme an, wenn er untergeht? Wer will etwas Neues wagen, wenn die Medien einem jeden Tag mit der schlimmsten Rezession drohen?
Wir waren aufgebrochen in ein unbekanntes Land, hatten neues Terrain bestritten, kämpften jeden Tag gegen Feuerdrachen und Papiertiger. Und kamen, so fühlte es sich an, keinen Millimeter voran. Es ging eher ständig zurück. Weil uns niemand entgegenkam. Niemand traute sich aus der Deckung. Da draußen lauerte das Monster des wirtschaftlichen Niedergangs. Ein falscher Schritt, und …
Nando hob beschwörend seine Hände: „Aber wenn wir jetzt die Flinte ins Korn werfen …“
„Eher in den Matsch“, sagte ich.
Nando stöhnte.
Wir hatten alles auf eine Karte gesetzt. Jetzt waren wir Ritter in rostigen Rüstungen. Kalter Regen zog uns von den Pferden. Am Anfang hatte es sich angefühlt, als stünden wir unter Strom.
„Dann sag mir, was wir falsch gemacht haben.“ Nando sah mich herausfordernd an. „Wo liegen wir falsch? Wo haben wir die falsche Abzweigung gewählt?“ Er öffnete need.digital. „Hier“, sagte er. „Stimmt doch alles. Proof of concept. Wie du es gefordert hast. Scrollytelling. Videos. Text-Bild-Kombinationen, die Lust machen. Sag mir“, schrie er fast, „an welchem Punkt wir ins Unterholz geraten sind?“
Ein finsterer Wald ist die Welt, wenn nirgendwo ein Licht leuchtet.
„Ich weiß es nicht“, sagte ich. Kraftlos. Ein halbes Jahr rackerten wir uns jetzt ab. Steckten jeden freien Gedanken in unsere neue Webseite. Was sich so inspirierend anfühlte, als sollte man einen VW-Bus ohne Motor auf den Mount Everest schieben. Der glitzernde Schatz aus unserer Imagination hatte sich in einer Fata Morgana aufgelöst.
Nando nickte. „Okay.“ Er stand auf. Wütende Entschlossenheit leuchtete auf seinem Gesicht. „Ich sage dir, was wir jetzt machen: Wir setzen uns jetzt in unseren Renault und fahren zu den Kunden. Wir fragen sie direkt, ob sie eine Scrollytelling-Seite wollen oder nicht.“
Angezündet von so viel Euphorie, sprang auch ich auf. „Yes! Wir treten dem Misserfolg in den A****!“, brüllte ich.
KJ stand in der Tür.
„Kann ich mitfahren?“, fragte sie.