„Ha! Möchte mal sehen, wie die diesen Film ohne mich machen wollen! Auch ihr Story-Doktor aus dem Wunderland USA wird ihnen nicht helfen können. Du brauchst keine Technik, um einen großen Film zu machen – du brauchst LEIDENSCHAFT! Du musst deinen Stoff, und das ist das Geheimnis, das ist das wahre Geheimnis des Erfolgs, Leute: Du musst deinen Stoff lieben. Wer von diesen … die können doch alle nicht mal lieben. Was wissen die schon von Liebe?! Ohne mich sind die am Arsch. Ich habe alles gelesen, Truby, McKee, ‚Save the Cat‘, ich hab Mamet gelesen, John Yorke, natürlich John Yorke! Ich bin bereit, ich schreibe euch euren Hollywood-Kracher!“
„Haben Sie denn schon mal einen Film gemacht?“, fragte der Psychiater. „Ich meine, ein Drehbuch geschrieben, das dann auch verfilmt wurde?“
Damit hatte er natürlich sein Todesurteil unterschrieben.
Eine solche Frage stellt man keinem Genie, das seine Brötchen schmachvoll mit dem Herunterschreiben von albernen Internet-Textchen verdient und sich dafür selbst verachtet. Einem Genie, das rund um die Uhr zerfressen wird von der Schmach, die Unwert schweigendem Verdient erweist, wie es bei Shakespeare heißt, und deswegen in der Hölle des Selbsthasse schmort. Einem Genie, das einfach seine PS nicht auf die Straße bringt, weil man ihm die Räder abmontiert hat, und das sich vor Verzweiflung am liebsten eine Kugel in den Kopf jagen würde.
Er fragte, der Drehbuchsuperstar im erbärmlichen Werbetextergewand, ob er kurz auf die Toilette gehen dürfe. Dann, als er hinter Dr. Spielvogel angekommen war, griff er sich aus dem schmalen Bücherregal eine bronzene Statuette, die Herkules auf seine Keule gestützt darstellte, und haute sie dem Psychiater mit solcher Wucht auf den Hinterkopf, dass „MATSCH“! (Jetzt mal comicmäßig ausgedrückt.)
Was dem Wütenden kurzzeitig Erleichterung verschaffte, langfristig aber ein Problem aufwarf: Wohin mit der Leiche?
Das Einzige, was ihm übrigblieb: Er wickelte den toten Psychiater in den Teppich, auf dem er lag, zusammen mit dem Blut, Gehirnspritzern und Knochensplittern. Vorne und hinten knotete er den Teppich zu und wuchtete sich die Last auf die Schulter. „Gott“, stöhnte er. Aber er schaffte es nach draußen und die Treppe hinab, einen Stock, zwei Stockwerke, den letzten Treppenabschnitt fiel er fast nach unten, doch endlich war er durch die Haustür hinaus und auf dem Gehsteig. Niemand. Er warf den Teppich in den Kofferraum seines Maseratis und gab Gas.
Überall, fiel ihm ein, während er durch den Stadtverkehr kurvte, würden sich Beweise finden. Genspuren. Der ganze Kofferraum musste voll davon sein. Selbst wenn er noch so vorsichtig war – vor der modernen Technik gab es kein Entkommen.
Ergo: Der Maserati musste weg.
Er fuhr aus der Stadt, bis der Dom ganz klein am Horizont zu sehen war, und parkte an einer Biegung des Rheins. Sein Herz brach, als er ausstieg. Wie er dieses Auto liebte! Hätte er nur Tanja je so geliebt! Die Handbremse hatte er gelöst, es ging leicht bergab, ein paar Stupser genügten, dann glitt seine Luxuskarosse in die Fluten. Unentwegt schaute er sich panikartig um.
Erst schwamm der Maserati kurz auf dem Wasser, dann sank er mit einem wahnwitzigen Geblubber nach vorn. Die Rheintöchter packten ihn und zogen ihn nach unten in ihr Reich … huch!? Von wegen! Da zog plötzlich gar niemand mehr!
Sein Herz setzte einen Schlag aus. Noch einen. Aber der Maserati blieb so stecken, die Schnauze im Rheingrund, den Hintern in die Luft gereckt.
„Verdammte Dürre!“, schrie der Verzweifelte.
Er musste also wenigstens die Leiche aus dem Kofferraum holen! Er sprang ins Wasser, sank natürlich bis zum Hals ein, Dürre hin oder her, er wankte vorwärts gegen die Wassermassen an, mit Mühe gelang es ihm, den Kofferraumdeckel nach oben zu bringen. Er zerrte am Teppich, das Ding klemmte, er zerrte stärker, hängte sich voll rein, gab alles, ging an die Grenzen seiner physischen Belastbarkeit, stellte dabei fest, dass er nicht im Training war. Trotzdem, endlich schlüpfte der Tote heraus in seinem bunten Stoffsarg, und sofort trieb er davon, vom Rhein mitgeschleppt.
Da stand er dann, siegreich und bis zum Hals im Wasser. Sicher eine supergiftige Brühe, dachte er, vermutlich bin ich jetzt auch verloren, kontaminiert, aber immerhin gerettet! Ich bin gerettet! Keine Leiche, keine Verurteilung, lachte er, dem toten Psychiater hinterherblickend.
Endlich war er beruhigt, denn sein Opfer verschwand am Horizont, war auch schon halb versunken, nur eine weitere Leiche, die man aus dem Wasser ziehen würde. Er wandte sich um …. und merkte, dass er sich nicht umwenden konnte. Sein Fuß hing fest! Was war das jetzt wieder?!
Sein Fuß hatte sich zwischen zwei Steinen verklemmt, irgendwas war da am Grunde des Flusses, waren es doch die Rheintöchter, die ein Auge auf ihn geworfen hatten, notgeile Najaden, die ihn nicht gehen lassen wollten? Die ihn für sich reklamierten?
Das Letzte, was man von ihm sah, war sein Mund, geöffnet, um nach Luft zu japsen.
Verzweifelt schrie die Frau des Psychiaters auf, als sie die blutige, besudelte Herkules-Statuette auf dem Schreibtisch erblickte.