Film den Film, Film!

Keynote Address at the 15th annual Hola Mexico Film Festival. By Nando Diaz

Ich wollte Filme machen, seit ich das erste Mal die Augen aufschlug. Was ein paar Minuten nach meiner Geburt gewesen sein müsste. Ich erinnere mich an das Dunkel, das mich umfangen hielt … wie in einem Kinosaal. Ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit, als trüge ich eine Rüstung aus Samt. Untermischt mit einer sanft pochenden Erwartung. Dann, plötzlich, eine Welle von Licht, eine FLUTWELLE von Licht, die über mich hereinbricht, die mein Gehirn durchströmt, hell, gleißend, phantastisch, aber in seiner grellen Schönheit und Glorie fast unerträglich. Dann wieder Nacht, denn ich schließe vor diesem Anprall der REALITÄT die Augen!

Wenn ich ehrlich sein darf, glaube ich nicht, dass die Realität wirklich existiert. Ich meine, sie existiert nicht außerhalb des belichteten Zelluloids, das ihr Vorhandensein bezeugt. Vielleicht klingt das etwas irre, aber können Sie sich vorstellen, zum Beispiel, dass jetzt in dieser Stadt irgendwo von einem brutalen Kartell jemand in Stücke geschnitten wird? Und dass seine Stücke Bluthunden zum Fraß vorgeworfen werden? Von Menschen Ihrer Nation, Menschen von Ihrem Fleisch und Blut, vielleicht sogar Cousins von Ihnen, Verwandte, Freunde? Das alles sind Filmbilder, werden Sie sagen, ausgeschnitten vielleicht aus einem Don-Winslow-Reißer, aber die Wahrheit ist noch verrückter: Es ist alles real. Es geschieht wirklich. Die Welt ist kein Quentin-Tarantino-, kein Oliver-Stone-Movie, und sie ist kein Film, den ich mir ausgedacht habe. Und doch ist sie das. Genau das. Sie ist meine Erfindung, hier, hinter meinen Augen, sehen Sie meine Augen? Hier drin entsteht eine Welt, die Sie betreten können, wenn Sie sich in ein Lichtspielhaus (was für ein herrliches Wort!) setzen.

Ich lade Sie ein, die Realität in ihrer blutigen Schrecklichkeit hinter sich zu lassen und einzutauchen in die vielleicht befremdlichen, jedoch zutiefst freundlichen Visionen, mit denen ich ringe, um sie Gestalt annehmen zu lassen, Tag für Tag, allen Widrigkeiten zum Trotz.

Film ist das, was uns alle verbindet. Weil Film das ist, was uns alle trennt. Wie Denken, Schreiben und Danken.

Ich danke Ihnen.

(Aus dem mexikanischen Spanisch von Robert Mattheis)

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