The Power of Storytelling

Storytelling, was macht es so mächtig? Darüber haben wir intern viel gesprochen, vor allem natürlich Nando und ich, allein schon in Vorbereitung für unseren Podcast zu dem Thema.

Evolutionär betrachtet, sind Geschichten für unser Gehirn eine Methode, ungeheure Datenmengen in komprimiertester Form abrufbar zu speichern. (Ein bisschen wie MP3.) Ob es dafür eine metaphysische Begründung gibt, lasse ich einmal dahingestellt; es hat sich im Verlauf der Phylogenese des Menschen einfach so entwickelt. Jedenfalls plädiert für diese Sicht der Dinge der Nabokov-Experte Brian Boyd in seinem Buch „On the Origin of Stories“ (der Titel ist erkennbar angelehnt an Charles Darwins bahnbrechende Meditation über den Ursprung der Arten).

Man kann die Macht dieses Verfahren bei sich selbst ganz einfach nachprüfen. Nehmen wir den simplen Satz: „Geh besser nicht in den Wald; dort leben die Wölfe.“ Sofort hat man eine Unmenge von Anschlussstellen im Kopf, Bilder ploppen auf: Rotkäppchen mit seinem Korb, junge Männer, die sich in Werwölfe verwandeln, Wolfsrudel, die gemeinsam den Mond anheulen und sich dann hügelabwärts auf ein einsames Gehöft stürzen. Die Geschichten liegen, zusammengefaltet in ein paar Wörtern, ab in unserem, nun ja, kollektiven Unbewussten (um auch noch C. G. Jung in die Sache mit hineinzuziehen).

Der Effekt des simplen Satzes: Man wird es sich zweimal überlegen, ob man in den Wald geht. Man könnte auch sagen: Storys sorgen dafür, dass Verbote wirken. Und sie schützen uns vor den scharfen Zähnen der Wölfe.

Natürlich ist dieser evolutionäre Ansatz unter Wissenschaftlern umstritten, alles andere wäre ja auch eine Enttäuschung, aber er erklärt als Faustformel zumindest, woher ich den Titel dieses Beitrags genommen habe: aus (neuerdings belegten) 300.000 Jahren Geschichte des Homo sapiens.

Übrigens gibt es mit z. B. Peter Brooks neuerdings auch Wortmeldungen, wir übertrieben es ein wenig mit dem Storytelling. Wir seien „Seduced by Story“, urteilt der Literaturkritiker. Tatsächlich gibt es wenig Dinge, die so nerven wie eine schlechte Geschichte – wie jeder weiß, der je einen Artikel in der „Bild“-Zeitung über die dramatriefende Headline hinaus weitergelesen hat.

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Nando