Nichts verkauft Ladestationen so gut wie die Träume einer Wallbox

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kunden, hallo Kinder,

wie träumt eine Wallbox?

Sie werden denken: „Eine bescheuerte Frage, eine Ladestation für E-Autos träumt natürlich gar nicht, sie lädt auf, und zwar E-Autos.“

Richtig.

Aber nehmen wir mal an, wir wollten uns als Storyteller vorstellen, wie so eine Wallbox träumt. Was träumt sie? Da eine Wallbox ja ein Produkt ist, also etwas, das scharf darauf ist, begehrt zu werden, selbst aber kein Begehren hat, sondern nur eine Funktion: den Käufer glücklich zu machen, wird sie vermutlich davon träumen, dass man sie begehrt. Das wäre für sie das, was für Menschen ein erotischer Traum ist: Sie hängt an der Wand, und um sie herum scharen sich Passanten, um ihr beim Aufladen zuzusehen, bis eine Menge versammelt ist, die sonst ein Fußballstadion füllt. Sie knistert zufrieden, und ihre Ladestandsanzeige leuchtet vor Erregung.

Klingt in Ihren Ohren vielleicht alles etwas bizarr, aber was ich Ihnen da eben geschildert habe, ist der Job des Storytellers. Er muss Dinge träumen lassen, damit Sie sich ihrer erbarmen, Sie vom Regal klauben und zur Kasse tragen.

Um beim Beispiel zu bleiben; diesen Film habe ich in die Tasten gehauen:

Ein Vater findet beim Aufräumen auf dem Speicher einen alten Plastikroboter. Es handelt sich um so einen schlurfenden, batteriebetriebenen, steifen Vintage-Gesellen (s. Abb.).

Foto: eBay.

Den schenkt er seinem Sohn: „Schau mal, mit so was haben wir damals gespielt, als ich so alt war wie du.“ Der Junge legt seine Switch zur Seite und untersucht das Ding, halb fasziniert, halb kopfschüttelnd.

Später sieht er durchs Küchenfenster, wie sein Vater das Ladekabel von seinem Auto abzieht. Es ist ein Cabrio, damit wir hören können, was Vater und Auto sich zu sagen haben. Der Vater befiehlt seinem Elektromobil, ihn nach Oberstromberg zu fahren. Das Auto sagt: „Okay. Energie sparende oder Zeit sparende Route?“

Der Vater: „Am besten beides.“

Auto: „Alles klar. Berechne …“

Und schon geht die Fahrt los, der Vater winkt seinem Sohn noch zu, dann braust er um die nächste Ecke – lautlos.

Der Junge geht mit dem Roboter in die Garage und schließt ihn an die Wallbox an. Sofort leuchtet das Gesicht des Roboters auf, er fragt mit seiner knarzigen Piepsstimme: „Hast du Lust zu spielen?“

Cut. Wir sehen, wie der Roboter mit dem Jungen im Garten Fußball spielt. Voiceover: „Die revolutionäre Wallbox von Superkunde XY: die Energie, die dein Leben braucht.“

Cut: Wir sehen, wie der Roboter mit voller Kraft gegen den Ball tritt. Der Ball durchschlägt das Netz des Plastiktors, in dem der Junge steht, dann hören wir das Klirren eines Fensters.

Der Roboter: „Kein Problem! Ich hole einen Glaser!“

Der Roboter rennt los, der Junge schaut ihm mit offenem Mund nach.

Dieser Film wurde so natürlich weder gedreht, noch auch nur dem Kunden vorgestellt. Er ist etwas sehr verträumt. Ich habe ihn Ihnen nur deshalb zitiert, weil ich Ihnen ein Gefühl dafür geben wollte, was das Äquivalent eines Traumes vom Fliegen für eine Wallbox sein könnte. Diese Art, den Alltagsgegenständen um sie her sirrendes, Funken stiebendes Leben einzuhauchen – ich denke, das käme vielleicht nicht unbedingt den heimlichen Wünschen einer Wallbox nahe, aber auf jeden Fall denen ihrer Erfinder.

Sie sehen, Werbung für eine Wallbox liefert schönes Anschauungsmaterial für das, was Storytelling zu leisten vermag.

Wenn es Sie jetzt auch interessiert, wovon ein Storyteller träumt: Er träumt davon, dass der Küchentisch, an dem er sitzt, ihm plötzlich von seiner Sehnsucht erzählt, Teil des Schiffes von Sindbad, dem Seefahrer, zu sein. Und dann träumt er, wie er seinen Tisch tröstet, ihm klarmacht, dass es doch auch toll sei, jeden Abend die Grundlage für die Zubereitung des Familiensalats zu bilden, wie wichtig, wie nützlich, wie unentbehrlich er, der Möbelhausküchentisch, in Wahrheit sei, während es das Schiff von Sindbad, dem Seefahrer, mit großer Wahrscheinlichkeit nie gegeben hat, während all die Schiffe, die wirklich über die Weltmeere gekreuzt sind, heute den Meeresboden bedecken, vergammelte, von maritimer Erosion leergefegte Holzskelette, denen keine Sau eine Träne nachweint …

Ich höre den Küchentisch grummeln, als ich das sage. Aber am Ende, am Ende scheine ich ihn doch überzeugt zu haben.

Jedenfalls steht er heute immer noch so da wie gestern und die Tage davor.

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Nando